Erste Digitale Veröffentlichung der Elektroakustischen Werke von Anestis Logothetis
1. Untitled, coloured noise, tape from the archive
(Vienna, 1962 – 67)
2. Fantasmata & Meditation (Vienna, 1960 / 61)
3. Nekrologlog (Vienna, 1961, voice: Anestis Logothetis)
4. Wellenformen (EMS Stockholm, 1981)
Hrsg.: Thomas Gorbach
Mastering: Georg Janser
special thanks to: Christian Curd Tschinkel & Julia Logothetis
Fantasmata & Meditation, (1960 / 61), Band 91
Fantasmata ist die erste in Österreich entstandene Tonbandkomposition, realisiert 1960 am damals neu eingerichteten Institut für Elektroakustische Musik der Wiener Akademie für Musik und Darstellende Kunst unter Mitwirkung des Aufnahmeleiters Hellmut Gottwald.
Fantasmata ist ein Schlüsselwort im Sprachgebrauch der westlichen Philosophie. Aristoteles beschreibt „Fantasmata“ als Bilder, die ihren Ausgangspunkt in der Erinnerung an das Wahrgenommene haben, und durch die Erfahrung der sinnlichen Wahrnehmung einzelner Gegenstände und Ereignisse erzeugt werden. Damit trifft Logothetis das Kernthema der Akusmatischen Musik. François Bayle beschreibt einige Jahre später die Akusmatische Musik als eine Musik der fiktiven Räume und Phantomfiguren – eine Welt zwischen realen und imaginären Ursachen. Als Klangmaterial verwendet Logothetis Aufnahmen ekstatisch schreiender Stimmen aus Kongotänzen, und andere konkret aufgenommene Klänge. Mit den technischen Mitteln der 1960er Jahre (Tempovariation, Ringmodulation) entsteht ein Werk mit hohem innerem Tempo, welches die Hörer zu Tastenden in einem unbekanntem Klanguniversum werden lässt. Der Fluss bekannter und unbekannter Klänge mündet in einen klingenden Strom, dem der Meditation – eine raue, körnig-kreisende Klangfläche, die eine archaische Welt klanglichen Daseins eröffnet.
Während Fantasmata Logothetis‘ einziges Werk ohne bildliche Realisation bleibt, gibt es zu Meditation eine ‚Partitur‘, ein Aktionszeichen, welches das Kreisen auf einer mit Fell bezogenen Trommel zeigt. Dieses Werk realisierte Logothetis in Eigenregie und es wurde 1963 zu Hermann Nitschs erster öffentlichen Aktion (Aktion Perinetgasse – Die Blutorgel) des Wiener Aktionismus in der Galerie Lagergasse aufgeführt.
(Text@Thomas Gorbach)
Wellenformen, (1981), Band 91
Einen ganz anderen Arbeitsansatz verfolgte Logothetis bei seinem Werk Wellenformen.
Im Winter 1980/81 wurde er an das Elektronmusikstudion Stiftelsen, EMS Stockholm, eingeladen. Dort existierte ein graphisches Programm, IMPAC nach Michael Hinton, welches es ermöglichte mit dem Joystick gestartete Bewegungen für einige Sekunden zu verfolgen. Die erhaltenen Werte ordnete Logothetis verschiedenen Parametern zur Klangerzeugung zu. Diese wurden dann in Schichten übereinander montiert. Die klanglichen Möglichkeiten dieses Programms waren begrenzt, aber die Bewegungsmöglichkeiten enorm. Es muss für Logothetis inspirierend gewirkt haben, seinen aleatorischen Kompositionsansatz und sein Wissen um die Kybernetik mit einem Computerprogramm klanglich umsetzen zu können. Hörbar sind ineinander verwobene Wellen in einem Strom von synthetisierten Klängen. Logothetis benennt an anderen Stellen die Parameter seiner Kompositionen folgendermaßen: „Vielschichtigkeit der Klanglichkeit und Vielschichtigkeit der Zeit, Bewegung, Geschwindigkeit, Fluss und Klangdichte sowie die Dynamisierung der Musik.“
(Text@Thomas Gorbach)
Untitled, Coloured Noise, (1962 – 67), Band 226
Das Tonbandarchiv umfasst ca. 250 Tonbänder. Logothetis‘ ständiger Begleiter bei seinen Konzerten war das Tonbandgerät. Neben der akustischen Dokumentation seiner Werkaufführungen und Reden, sammelte er aber auch unterschiedlichste Klänge zur Weiterverarbeitung. Band 99, 124, 125, 143, 153, 193, 226 und 231 sind Materialbänder. Unter ihnen ist die Studie Farbiges Rauschen zu finden. Der Zeitrahmen der Aufnahmen wird zwischen von 1962 – 67 angegeben. In für Logothetis ungewöhnlicher Ruhe fließen die gefilterten Rauschklänge dahin und eröffnen einen weiten Raum, den einzelnen Klangereignissen zuzuhören und deren Möglichkeiten zu imaginieren.
(Text@Thomas Gorbach)
Nekrologlog, Band 91
(Redner: der Autor, realisiert am Institut für Elektroakustik der Musikhochschule Wien. Aufnahme: Hellmut Gottwald)
„Dieses Kurzhörspiel von ca. 10 Minuten entstand 1961 und wurde 1970 von mir als Schlussrede meinem Hörspiel Mantratellurium beigefügt – da seine sprachlichen Strukturen die des Mantratelluriums ergänzen – aber als selbständige Rede am 30. Januar 1974 in meinem Planetariumskonzert für die musikalische Jugend uraufgeführt. Es ist eine parodistische Rede, welche die Form eines Nachrufs an den im Weltall Verschollenen zum Anlass nimmt, gesellschaftlich politische Errungenschaften in rhetorischen Satzwortkettengebilden zu „lobpreisen.“
„[…] wir wuchsen uns heran an den Span, der die das Ich isst nicht Du und doch hat Ich […]“
(LP Text von Anestis Logothetis)